Wenn Menschen kommunizieren, dann tauschen sie Information aus. Wenigstens sagt man das so. Problematisch wird es, wenn man versucht zu erklären, was Information ist. Das Dumme an der Information ist nämlich, daß sie nicht greifbar ist, auch wenn es in der Informationstheorie dafür Formeln und sogar eine Einheit gibt (nämlich das bit, mit kleinem "b" geschrieben).
Bevor wir weitermachen, sehen wir erst mal in einschlägige Nachschlagewerke, vielleicht können die uns weiterhelfen:
In [1] lesen wir:
In [4] finden wir ebenfalls eine reichhaltigere Abhandlung, die eher fundamental beginnt:
In einem älteren Werk, [5], lesen wir eine weitere interessante Definition:
Nachdem wir nun wenigstens ansatzweise in der Lage sind, uns von dem Begriff "Information" ein Bild zu machen, müssen wir uns darum kümmern, wie sie übermittelt wird. Das Problem der Informationsspeicherung wollen wir hier vernachlässigen.
Einen Begriff habe ich Ihnen schon untergejubelt, ohne ihn genauer zu betrachten. Wir wollen diesen Basisbegriff nun näher kennenlernen, um unser Denkgebäude auf einer festen Basis zu errichten. Nur dann sind die späteren Ausführungen verständlich.
Kommunikation heißt der Begriff, der uns allen sehr vertraut zu sein scheint, denn wir benutzen ihn allenthalben - und im übrigen lebt die Informationsgesellschaft ja in ebendiesem Zeitalter.
Um zu lernen, was Kommunikation eigentlich ist (denn sie ist mehr als nur "miteinander zu plaudern"), schauen wir wieder zunächst in ein Lexikon [1]: Kommunikation ist "Gemeinschaft durch Mitteilung", steht dort unter anderem.
Nur drei Worte, aber sehr bedeutungsschwanger! Wenn man sich die heutige Situation ansieht, in der man Mitteilungen nicht nur per Brief, sondern auch per Telefon, Mobiltelefon, Sprechfunk, Telex, Teletex, Telefax, e-mail, Rundfunk, Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften in allen nur denkbaren Variationen verbreiten und transportieren kann, und doch immer weniger Verständnis und hörbereite Empfänger erreicht, dann fragt man sich schon mal, ob der zitierte Satz eigentlich stimmen kann.
Ich kann es Ihnen verraten: Er stimmt schon; nur was wir heute mit den Kommunikationsmitteln (das sind nämlich die oben erwähnten Medien) machen, das hat mit Kommunikation nichts mehr gemein. Kommunikation ist immer zweiseitig; einfach ausgedrückt, einer teilt mit, der andere empfängt. Oder, wie man in der Informationstheorie sagt, es gibt einen Sender und einen Empfänger. Das ist jetzt nicht technisch gemeint, sondern beschreibt lediglich die Funktion.
Aber wie immer, wenn es ein Überangebot gibt, schaltet man "einfach ab", man interessiert sich nicht mehr für das, was es im Überfluß gibt. Hier heißt das: Es wird immer mehr gesendet, aber es hört kaum noch jemand zu. Das ist der eigentliche Grund, warum wir heute keine Gemeinschaft mehr sind, obwohl die Voraussetzungen zur Kommunikation eigentlich nie besser waren.
Nachdem wir über den Begriff Kommunikation das "Sender-Empfänger-Modell" kennengelernt haben, interessieren wir uns als nächstes dafür, was der Sender denn von sich gibt, das dann den Empfänger erreicht.
Es sind ganz einfach - Signale. Der Sender muß dazu in irgendeiner Weise das physikalische Universum nutzen (was anderes steht ihm ja auch gar nicht zur Verfügung). Wobei nochmals darauf hingewiesen wird, daß unter "senden" nicht unbedingt elektronisches Senden gemeint ist. Auch mit Hilfe dieses Buches sende ich Ihnen Signale zu, auf druck-optischem Wege, versteht sich.
Diese Signale, die tatsächlich noch physikalisch meßbar sind, stellen die Träger für die eigentliche Mitteilung dar, die im folgenden Nachricht genannt wird. Es gibt in unserem physikalischen Universum keine Nachricht ohne Signale als Träger. Solche Träger sind stets ein Energievorgang und dienen zur Übermittlung. Anders dagegen die Speicherung von Nachrichten; diese findet stets auf einem materiellen Träger statt, wie beispielsweise dieser Buchtext auf Papier, das Originalmanuskript zu diesem Buch auf einer magnetischen Computerfestplatte oder Mitteilungen als Hieroglyphen auf einer Steintafel.
Zwar stellen Materie oder Energie als Träger nicht die Nachricht selbst dar, dennoch ist jede Nachricht in eigentümlicher Weise an ebendiese Träger untrennbar gebunden. Gibt es kein Signal, also keinen Träger, kann auch keine Nachricht übertragen werden - obwohl man sich durchaus vorstellen kann, daß das Ausbleiben der Nachricht (und damit von Signalen) auch eine Nachricht sein kann. Eltern können ein Lied von dieser Praxis singen ("Wenn Du nichts von mir hörst, geht es mir gut!"). Das ist aber erfahrungsgemäß keine sichere Nachricht, und sie enthält deswegen auch keine echte Information. Deswegen wollen wir diesen Sonderfall einfach ignorieren.
Beispiele für Nachrichten sind:
Trotzdem täuscht der erste Blick oft. So kann es sich bei Nachricht 1 um eine verschleierte Warnung handeln, bei Nachricht 2 kann die Bedeutung davon abhängen wie sie geschrieben und wo sie zu finden ist. Dasselbe gilt für die anderen Nachrichten. Wir werden uns gleich noch einmal näher mit diesem Zusammenhang beschäftigen.
Nachrichten bestehen aus Zeichen. Die Zeichen entstammen immer einem Repertoire oder Alphabet, von denen Sie zumindest eines gut beherrschen, nämlich das lateinische, mit dessen Zeichen die Information in diesem Buch formuliert sind.
Allgemein verbreitete Schriftalphabete gibt es viele; die bekanntesten sind:
Auch "branchen-" bzw. "anwender-"spezifische oder technische Alphabete gibt es zuhauf:
Das alleine würde aber noch nicht für eine Nachricht reichen. Wenn ich einfach so die Zeichenfolge "¤!" schreibe, dann ist das noch keine Nachricht. Erst wenn ich mit Ihnen verabrede, daß das Zeichen ¤ "Hier gibt es was umsonst" bedeuten soll, wird aus der Zeichenfolge eine für Sie verständliche Nachricht.
Damit ein Zeichen auch richtig "gelesen" werden kann, muß man dem Formmuster also eine Bedeutung beigeben. Ein Zeichen, dem eine Bedeutung zugeordnet wird, heißt Symbol. Ein Symbol kann aber auch aus mehreren Zeichen bestehen, die zu einer festgelegten Kombination zusammengefügt werden
Da ein Zeichen meistens nicht ausreicht, um die gewünschte Information zu enthalten (sonst müßte ich nicht ein ganzes Buch schreiben), bestehen Nachrichten in der Regel aus Zeichenfolgen. Während einzelne Zeichen meistens nur elementare Bedeutungen besitzen, werden Folgen von Zeichen Bedeutungen aus höheren Abstraktionsebenen zugeordnet. Statt von "Bedeutung" spricht man dann auch von Sachverhalten oder Begriffen.
Dieser Zusammenhang ist eng an die Sprache angelehnt; denn auch hier haben wir solche Abstufungen. Wenn ein Buchstabe niedergeschrieben wird, zum Beispiel in seiner normalen Repräsentation als "A", dann hat er schon eine allgemeine Bedeutung als Zeichen, nämlich eine bestimmte akustische Lautform (die sie hören können, wenn Sie den Buchstaben aussprechen). Mit dieser Bedeutung alleine kann man aber noch kaum echte Information transportieren. Erst wenn ein Begriff mit dem Buchstaben oder einer Zeichenfolge, in der der Buchstabe vorkommt, assoziiert wird, kann Information transportiert werden. Beispielsweise in "HAHN". Diese Zeichenfolge stellt das Symbol für den Begriff dar, den Sie assoziieren. Wobei nicht gegeben ist, daß alle an dasselbe denken. Als Installateur denken Sie eventuell an eine Armatur für Waschbecken, als Landwirt an einen flugunfähigen und lauten Vogel und als Träger des Namens "Hahn" vielleicht sofort an Ihre Familie.
Wie man schon an diesem Beispiel sieht, können Symbole durchaus verschiedene Bedeutungen haben, je nachdem, in welchem Kontext (Zusammenhang) man sie liest. Es kommt also stets auf die verabredete Zuordnung zwischen Bedeutung und Zeichen bzw. Symbol an.
Dabei kommt es, wie man schnell merkt, nicht darauf an, wie ein Zeichen im Detail dargestellt wird, solange es seine charakteristischen Eigenschaften behält. Den Buchstaben "A" erkennen Sie (mehr oder weniger leicht), auch wenn er anders aussieht, z.B. wie in
A, A, Å, a oder â.
Beide Beteiligten, Sender und Empfänger, müssen sich auf das Alphabet geeinigt haben und es beherrschen. Oder, formaler ausgedrückt, beide müssen die Zuordnungsvorschrift (den Code) kennen, die dem Alphabet zugrunde liegt.
Nur wenn diese Zuordnung auf beiden Seiten in gleicher Weise bekannt ist, kann die Übermittlung von Nachrichten überhaupt erfolgreich stattfinden. In diesem Buch gehe ich davon aus, daß Sie die Zuordnung der gedruckten Zeichen und Symbole (Buchstaben und Wörter) in Ihrem Geist in die Bedeutung rückverwandeln können, die ich der Nachricht als Information beigegeben habe.
Und es ist ebenfalls gleichgültig, ob der Buchstabe als elektrischer Impuls über ein Kupferkabel oder als Lichtimpuls in einem Glasfaserkabel läuft, ob er als Kerbe in einen Stein gehauen ist, seiner Gestalt entsprechend auf einer Papierseite mit Druckerschwärze eingefärbt wird oder ob er als Funksignal zum Mond gesendet wird. Am Ende muß nur wieder die Form herauskommen, die der Empfänger zu interpretieren in der Lage ist.
Die Zeichen in diesem Buch gingen beispielsweise einen langen Weg: Zunächst betätigten meine Finger beim Schreiben entsprechende Tasten (ich wandelte die Information in eine aus einzelnen Zeichen bestehende Symbolkette um), die mit einem aufgedruckten Zeichen (Buchstabensymbol) markiert waren. Die Tastatur wandelte diese Zeichen in elektrische Impulse um, die vom Computer (Hardware, Betriebssystem, Textprogramm) analysiert und in andere elektrische Signale umgewandelt wurden. Auf der Festplatte wurden sie elektromagnetisch gespeichert. Danach wurden die Zeichen per Datennetz an den Verlag gesandt, dort wieder elektromagnetisch gespeichert, in die Satzmaschine eingegeben und danach in Druckerfarbkleckse auf Papier umgewandelt.
Die (abstrakten) Zeichen blieben immer dieselben, nur ihre Repräsentation änderte sich öfters. Somit sind Zeichen ein Gedankengebilde, nichts, was man tatsächlich aufschreiben oder greifen könnte. Die Repräsentanten jedoch, die Buchstaben auf dem Papier oder Bildschirm, die können Sie aufschreiben. Somit sehen Sie in diesem Buch Repräsentanten der Buchstaben, in diesem Falle die des lateinischen Alphabets.
Da Nachrichten ja in irgendeiner Form das repräsentieren müssen, was der Sender beabsichtigt hat, benutzt man eben dazu die Symbole. Welcher Art die Zeichen sind, die die Symbole beschreiben sollen, das hängt jedoch ganz von den Beteiligten ab. Grundvoraussetzung ist, daß beide Seiten die benutzten Symbole kennen. Symbole können aus Lauten oder anderen Signalen bestehen, die man vorher verabredet hat. Laute oder diese anderen Signale bestehen wieder teilweise aus einzelnen Zeichen.
Beispielsweise gibt es bestimmte Kombinationen von Ton- oder Lichtsignalen bekannt, die für einen Schiffsführer ganz bestimmte Nachrichten enthalten und von Schiffen, Leuchttürmen oder Seetonnen gesendet werden. Dabei sind die einzelnen Ton- oder Lichtimpulse die Zeichen, die definierten Folgen jener Lichtimpulse die Symbole. Beispielsweise gibt es kurze und lange Töne (Zeichen). Die Folge "drei kurze Töne" kann auf See dann "Ich gebe mit der Maschine Rückwärts" bedeuten, wenn man als Verabredung das Symbolsystem der Seeschiffahrtsstraßenordnung zugrunde legt.
Im Falle dieses Buches vertraue ich als Autor darauf, daß Sie das Zeichensystem "Lateinisches Alphabet" kennen und den Text, den ich in Symbolen deutscher Sprache geschrieben habe, lesen und interpretieren können.
Vielleicht werden Sie als aufmerksamer Leser sich inzwischen fragen, wo denn bei alledem die Information bleibt - nachdem wir nun Kommunikation, Signale, Nachrichten und Symbole kennengelernt haben. Sie haben recht!
Die Information ist das wichtigste daran, denn als Empfänger nutzt mir der ganze Aufwand nichts, wenn ich zwar die Nachricht lesen kann, aber nicht verstehen. Stellen Sie sich einfach vor, dieses Buch wäre zwar mit dem auch sonst in Europa gebräuchlichen lateinischen Alphabet, aber in einer Sprache geschrieben, die sie nicht verstehen; in meinem Falle sind das zum Beispiel portugiesisch oder finnisch. Ich könnte zwar die Zeichen erkennen, auch, daß eine Nachricht vorliegt, aber ich wäre nicht in der Lage, die Symbole (hier: Worte) zu interpretieren und damit den Inhalt oder die Bedeutung der Nachricht.
Beispielsweise können Sie, auch wenn Sie kein Latein beherrschen, noch folgende Passage aus Sallusts "Die Verschwörung des Catilina" problemlos vorlesen:
("Denn der Ruhm des Reichtums und der Schönheit ist unbeständig und gebrechlich, wirkende Größe ein strahlender und ewiger Besitz.") [Sallust: De coniuratione Catilinae / Die Verschwörung des Catilina; Stuttgart: Ph. Reclam jr., 1976 (Nr. 9428)]
Enthält jedoch eine Nachricht die folgenden Zeichen (unter der Voraussetzung, daß Sie des Griechischen nicht mächtig sind), dann können Sie noch nicht mal mehr die Zeichen erkennen, obwohl es sich dabei um eine berühmte Auffassung von Heraklit (ca. 500 v.Chr.) handelt:
Wenn Sie griechisch können, stellen Sie sich einfach ein Alphabet vor, das Sie nicht kennen.
Und hier haben wir schon eine Erklärung für einige Zusammenhänge, die bis jetzt offen blieben:
Die Information einer Nachricht ist also die ihrer Bedeutung. Und wie wir gerade gelernt haben, gibt es oft nicht nur eine Bedeutung; im Gegenteil - es kann durchaus erwünscht sein, daß es mehrere Bedeutungen gibt. Die Weltliteratur lebt geradezu von dieser Eigenschaft! Unter anderem ist das einer der Gründe, warum es die Kryptologie geben kann. Denn es ist ja genau dann notwendig, eine weitere Bedeutungsebene einzuführen, wenn jemand anders als die Beteiligten die Nachricht nicht interpretieren können soll!
Die Information ist also, einfach ausgedrückt, die Interpretation der Nachricht beim Empfänger. Das bedeutet, daß selbst wenn man die ganz normale Sprache mit all ihren allgemein gültigen Bedeutungen als Interpretationsvorschrift nutzt, dieselbe Nachricht bei verschiedenen Menschen völlig unterschiedlich aufgenommen werden kann!
Die Nachricht
Information ist, wenn überhaupt, nur immer im Kontext des Empfängers zu verstehen, der eine Nachricht empfängt! Nicht das, was der Sender dabei denkt, ist wichtig, sondern das, was der Empfänger dabei herausliest. Die Kunst im Alltag ist es deshalb, eine möglichst große Überdeckung der eigenen Interpretation mit der des Empfängers vorauszusehen.
Kommunikation benötigt verschiedene Zutaten, um funktionieren zu können:
Manchmal aber findet ein Teil der Verabredung dieser Einzelheiten im Moment des Kommunikationsbeginns statt. Denn wenn ein Telefon klingelt (Signalform am Empfängerende akustisch), wissen Sie im Normalfall, daß jemand mit Ihnen akustisch (Nachricht in Sprachform) mit Ihnen reden möchte (in Ihrer Sprache, allgemein gültige Bedeutungen). Sollte aber dann plötzlich ein Faxgerät der Sender sein, haben sie nur ein Pfeifen im Ohr, das Sie nicht verstehen; zwar können Sie das Gegenüber vielleicht noch als Faxgerät erkennen (dann haben sie die Nachricht gehört), aber sie kennen die Bedeutung, also den Inhalt der Nachricht nicht. Die Information entgeht Ihnen also. Oder es ruft jemand an, der Ihre Sprache nicht spricht und versucht, Sie in einer Sprache anzureden, die Sie nicht verstehen. Auch hier können Sie die Nachricht hören (Sie erkennen, daß jemand mit Ihnen spricht), aber Sie können den Inhalt der Nachricht, also die Information, nicht erkennen, weil Ihnen die Sprache unbekannt ist.