1.1.2 Identität, Authentizität, Verifikation, Integrität

Im vorigen Abschnitt haben wir etwas darüber erfahren, wie sich der Kommunikationsvorgang eigentlich zusammensetzt. Nun müssen wir uns damit beschäftigen, mit welchen praktischen Problemen man in der Regel zu tun hat, wenn man Nachrichten erhält, die man interpretieren kann.

Die meisten Menschen plagen sich heutzutage mit einem "Identitätsproblem" herum, das sich meistens glücklicherweise als mentale Überspanntheit der Betroffenen herausstellt. Was die meisten nicht wissen: die Identität selbst kann ein Problem sein - zumindest im Bereich der Kommunikation; und das in vielerlei Hinsicht.

In der traditionellen Methode des Nachrichtenaustausches wurde und wird ein physischer Datenträger benutzt, der untrennbar mit der Nachricht verbunden ist. Im klassischen Falle ist es ein Brief, der aus zwei Bestandteilen besteht:

Eine solche Nachricht wird mechanisch transportiert; das heißt, ein Kurier oder ein Kurierdienst nimmt genau diesen Brief (also jenes Stück Papier) und befördert ihn zum Empfänger. Der Empfänger nimmt den Brief und kann nun die darauf stehende Nachricht lesen und daraus die übertragene Information rückgewinnen.

"Da ist doch nichts dabei!" sagen Sie? Doch! Schon beim Fax passiert nämlich etwas grundverschiedenes! Sie werden schnell merken, was ich meine.

Wenn Sie ein Fax nach der alten Methode versenden, also auf ein Blatt Papier mit einem Schreibstift oder mit der Schreibmaschine eine Nachricht schreiben, dieses Papier in das Fax legen und den Sendeknopf betätigen, dann behalten Sie das Papier. Das Papier wird also nicht transportiert. Trotzdem bekommt der Empfänger im Normalfall die Nachricht. Was wurde dann eigentlich transportiert? Das Papier nicht, das haben wir ja noch.

Es wurde natürlich die Nachricht transportiert. Aber: Die Nachricht wechselte das Trägermedium! Hierbei geschah eine Zuordnung zwischen zwei Symbolsystemen, denn die Telefonleitung kann keine geschriebenen Buchstaben übertragen, sondern nur elektrische Impulse. Das Faxgerät hat dazu die auf dem Papier geschriebenen Symbole mit Hilfe des eingebauten Scanners zerlegt, in elektronische Symbole umgewandelt und diese mit Hilfe des Signalträgers Strom durch die Leitung transportiert. Am anderen Ende wurden diese Signale wieder zurückgewandelt und mit Hilfe eines chemischen Prozesses wieder als ähnliche Schriftsymbole auf das dort eingelegte Papier aufgetragen. Dieses Papier enthält nun annähernd dieselben Symbole wie das Papier, das der Sender in sein Faxgerät eingeführt hat. Annähernd, weil durch den Wechsel des Mediums beim Scannen Verluste und Fehler vorkamen, die in der Regel aber vernachlässigbar sind. Aus diesem Grunde kann der Empfänger die Nachricht lesen und eventuell auch interpretieren, ohne daß der ursprüngliche Datenträger, das Papier des Senders, transportiert werden mußte.

Wo liegt nun das Problem? Wenn die Nachricht ankommt, das ist doch alles in Butter, oder?

Ist es nicht. Wir haben uns gerade darauf geeinigt, daß die Verluste und Fehler in der Regel nichts an der übertragenen Information ändern. Wenn allerdings die Vorlage gefälscht ist, indem durch Aufkleben oder mechanisches Korrigieren Daten verfälscht wurden, dann können die Verluste diese Änderungen verdecken, weil sie beim Trägerwechsel nicht mit übertragen werden.

Einem Brief können Sie mit einiger Sicherheit nachsagen, daß er echt ist. Sie können das am Aufdruck des Geschäftsbogens erkennen, an der originalen Unterschrift (mit Füller oder Kugelschreiber), an der Art der Schreibmaschine, etc. Natürlich sind das keine hundertprozentigen Sicherheiten, aber im Gegensatz zu dem, was wir gleich sehen werden, sind es noch Sicherheiten!

Wenn Sie ein Fax erhalten, dann können Sie davon nichts mehr erkennen. Da die Faxtechnik ähnlich funktioniert wie ein Kopierer, können Sie auch all den Unsinn und Mißbrauch betreiben wie mit Kopierern. Sie können eine alte Unterschrift auf den Brief kleben oder sie können vorgedruckte Daten auf dem Brief verändern, zum Beispiel Zahlen, das Datum oder Namen. Der Empfänger merkt davon nichts, denn es kommt zwar die gesendete Nachricht an, aber nicht die Eigenschaften, die sich auf den Datenträger Papier beziehen (z.B. Schnittkanten, Korrektur- und Radierspuren, Klebereste, etc.). Allerdings werden beim Faxversand mit Papier als Ursprung noch in gewissen Grenzen die mechanische Form als Zusatzinformation mit gesandt. Beim Versand von Fax direkt aus dem PC entfällt auch dieses.

Bei anderen Kommunikationsmitteln sieht es noch schlechter aus! Wenn sie mit dem Computer über ein Datennetz oder direkt per Leitung im selben Büro (z.B. das betriebseigene LAN) eine Datei verschicken, wer garantiert Ihnen oder dem Empfänger (je nach Interessenlage), daß es sich tatsächlich um die original verschickte Datei handelt? Oder daß Sie der Absender waren? Oder daß die Datei auch beim Empfänger ankommt?

Es sind unzählige Manipulationen denkbar:

usw.

Und das geht bei Dateien, ohne jegliche Spuren zu hinterlassen. Denn wir erinnern uns: Beim Papierfax wird nur noch die Nachricht versandt. Hier waren schon viele Manipulationen denkbar.

Beim Dateiversand von Computern oder beim Computerfax passiert aber noch ein Schritt mehr: Es gibt keine physikalische Vorlage mehr! Die Daten werden zwar noch durch mechanische Manipulationen (Tastatur, Maus, etc.) direkt erzeugt und als elektrische Signale im Arbeitsspeicher gehalten. Daß es auch magnetische oder optische Speichermedien gibt, spielt hier keine Rolle, denn diese erfahren vor dem Versand wieder die Rückwandlung im Arbeitsspeicher. Diesen Daten sind aber keinerlei Eigenschaften mehr beigegeben, wie zum Beispiel mit der Hand geschriebenen Buchstaben auf Papier. Eine Textdatei (und auch jede andere Datei) ist einfach eine Folge von Binärmustern, die sich im Arbeitsspeicher befinden. Jedes "A" sieht aus wie das andere, man kann sie nicht unterscheiden. Und man merkt nicht, wenn aus einem "X" ein "U" wird.

Wenn Sie also eine Datei an einen Empfänger senden, dann gibt es ohne weitere Maßnahmen keinerlei Garantie dafür, daß die Bytes, die ankommen, auch die waren, die abgeschickt wurden. Und darüber hinaus kann sie jeder mitlesen!

Wie Sie spätestens jetzt merken, gibt es nicht nur eine einzige Rechtfertigung für eine Vorbehandlung von Daten. Nicht nur die Verschleierung der Information, auch die Absicherung gegen Änderung, Leugnung und Fälschung sind äußerst wichtige Aspekte, mit denen wir uns ebenfalls beschäftigen werden.

Wir wollen uns nun einen prinzipiellen Mechanismus ansehen, den wir später wiedertreffen werden.