Wenn man nicht nur ein Chiffrieralphabet einsetzt, sondern bei jedem Zeichen ein anderes auswählt, dann erhält man polyalphabetische Chiffren.
Obwohl diese Methode zu verschiedenen Zeiten von verschiednen Menschen erfunden wurde, ist sie heute unter der Bezeichnung "Vigenére-Chiffre" bekannt. Vigenére war ein französischer Diplomat aus dem 16. Jahrhundert (1523-1596), der das Verfahren in seinem 1585 geschriebenen Buch Traicté de Chiffres beschrieb. Allerdings wurde die polyalphabetische Methode schon einige Jahre früher von Johannes (1492-1516) beschrieben, der sich später Trithemius nannte [0].
Grundprinzip dazu ist das Vigenére-Quadrat (s. Abb. 4.2).
Die Anwendung ist recht simpel; wir demonstrieren das an einem Beispiel, dem Titel eines Gedichts aus Goethes "Faust":
Wir benutzen das Schlüsselwort "FAUST". Wird der Klartext nun verschlüsselt, entscheidet das über einem Klartextzeichen stehende Schlüsselwortzeichen darüber, welches Alphabet benutzt wird. Dann wird dort der Buchstabe gesucht, der in der Spalte des Klartextzeichens steht.
Im Beispiel steht in der ersten Zeile jeweils das wiederholte Schlüsselwort, darunter der Klartext und schließlich der Geheimtext:
Schlüssel FAUSTFAUSTFAUST Klartext Hexeneinmaleins Geheimtext merwgjiheaqecfl
abcdefghijklmnopqrstuvwxyz ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ BCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZA CDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZAB DEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZABC EFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZABCD FGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZABCDE GHIJKLMNOPQRSTUVWXYZABCDEF HIJKLMNOPQRSTUVWXYZABCDEFG IJKLMNOPQRSTUVWXYZABCDEFGH JKLMNOPQRSTUVWXYZABCDEFGHI KLMNOPQRSTUVWXYZABCDEFGHIJ LMNOPQRSTUVWXYZABCDEFGHIJK MNOPQRSTUVWXYZABCDEFGHIJKL NOPQRSTUVWXYZABCDEFGHIJKLM OPQRSTUVWXYZABCDEFGHIJKLMN PQRSTUVWXYZABCDEFGHIJKLMNO QRSTUVWXYZABCDEFGHIJKLMNOP RSTUVWXYZABCDEFGHIJKLMNOPQ STUVWXYZABCDEFGHIJKLMNOPQR TUVWXYZABCDEFGHIJKLMNOPQRS UVWXYZABCDEFGHIJKLMNOPQRST VWXYZABCDEFGHIJKLMNOPQRSTU WXYZABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUV XYZABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVW YZABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWX ZABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXY
Abb. 4.2: Das Vigenére-Quadrat.
Die Analyse eines solchen Geheimtext ist schon erheblich schwieriger als das, was wir bisher betrachtet haben. Die Verteilung ist wesentlich gleichmäßiger als bisher.
Im Kapitel über Kryptanalyse werden wir aber dennoch einige Hinweise kennenlernen, wie man auch diese Chiffre angreifen kann.
Manchmal findet man auch die Bezeichnung Vigenére für Verfahren, die eine wiederholte Anwendung eines Schlüsselwortes und eine damit verbundene XOR-Verknüpfung verwenden.
Ein Beispiel für eine XOR-Verknüpfung:
Klartext 01000001 Schlüssel 10101010 -------- Geheimtext 11101011 Schlüssel 10101010 -------- Klartext 01000001
Bei einer XOR-Verknüpfung entsteht also jedesmal eine 1, wenn beide beteiligten Bits ungleich sind, eine 0 resultiert als Ergebnis bei zwei gleichen Bits.